Pünktlich um 10 Uhr eröffnete Dr. Manfred Göhler alias „Monsieur Agon“ das Vormittagsprogramm auf der Bühne im großen Saal des Nordhorner Kulturzentrums. Als „falscher Franzose aus Brögbern“, wie sich der emsländische Moderator augenzwinkernd vorstellte, führte der Varietékünstler und Familienpsychologe mit frankophonem Akzent und verschiedenen Jongliereinlagen unterhaltsam durchs Programm – und hieß zunächst Landrat Uwe Fietzek als Schirmherr des Aktionstages sowie Dr. Annegret Hölscher als Leiterin des Büros für Selbsthilfe und Gesundheit im Gesundheitsamt des Landkreises auf dem Podium willkommen.
Adressiert an die zahlreich anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Grafschafter Selbsthilfe sagte Hölscher: „Euer Engagement beeindruckt mich wieder. Ich erlebe, mit wie viel Herzblut ihr ehrenamtlich das Ganze wuppt – immer um sich und anderen zu helfen. Ohne euren Einsatz wäre dieser Tag nicht möglich gewesen.“ Aktuell gebe es 75 Themenfelder, die in der Grafschaft durch Selbsthilfearbeit behandelt werden: „Bei psychischen und körperlichen Erkrankungen, für Betroffene, für Eltern, für Angehörige. Um persönliche Krisen zu bewältigen, um den Austausch zu ermöglichen, um Gemeinschaft zu erleben: In der Grafschaft haben somit zirka 10.000 Menschen direkt oder indirekt mit Selbsthilfe zu tun.“
Landrat Fietzek freute sich, dass bereits zum neunten Mal eine solche Veranstaltung in der Grafschaft auf die Beine gestellt werden konnte. Er erinnerte daran, dass schon 1999 erstmals ein „Tag der Selbsthilfe“ stattgefunden hat – und dass ebenfalls seit 1999 die Selbsthilfe-Kontaktstelle des Landkreises besteht, in welcher die unterschiedlichen Gruppen organisiert sind. Sein Dank galt mithin einerseits den Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsamt und andererseits in besonderer Weise den vielen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern. Er betonte dabei: Auch wenn dieses Engagement meist im Verborgenen geschehe, solle es doch gesehen und wertgeschätzt werden – und dafür biete der „Tag der Selbsthilfe und Gesundheit“ die optimale Plattform.
Spannende Einsichten bot anschließend Prof. Dr. Nils Schneider von der Medizinischen Hochschule Hannover mit seinem Vortrag „Gesundheitsversorgung im Wandel: Wohin geht der Weg?“ Seine Kernaussage: Das heutige Gesundheitswesen in Deutschland ist zu „parzelliert“. Auch wenn alle Beteiligten ihre Arbeit gut machten, bedürfe es mehr Abstimmung zwischen den einzelnen Akteuren: „Wir brauchen eine Versorgung aus einem Guss“, lautet sein Fazit. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen müsse dabei im Mittelpunkt stehen.
Auch die darauffolgende Talkrunde hatte es in sich: „Monsieur Agon“ begrüßte dazu Dörte von Kittlitz, Leiterin des Selbsthilfe-Büros Niedersachsen (Hannover), Dipl.-Psych. Jürgen Matzat von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie Gießen, Gründer der ersten Selbsthilfe-Kontaktstelle, Dr. med. Ansgar Siegmund, Chefarzt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Facharzt für Neurologie an der Euregio-Klinik, und Thorsten Boomhuis, 1. Vorsitzender und Gründer von PingPongParkinson e.V., Bundeszentrale Nordhorn.
Dörte von Kittlitz erwähnte unter anderem, dass sie relativ wenige Hilfsanfragen seitens der Selbsthilfe-Kontaktstellen in Niedersachsen erhalten – was sie als positives Zeichen wertete, da die einzelnen Stellen so anscheinend autark und kompetent ihre Aufgaben bewältigten. Dr. Siegmund berichtete als Beauftragter des „Selbsthilfefreundlichen Krankenhauses Euregio-Klinik“, wie dort die Bedeutung der aktiven Selbsthilfearbeit stets hochgehalten werde. Jürgen Matzat, der die Entwicklung der Selbsthilfe in Deutschland erlebt und geprägt hat, machte auf das aktuelle „Mega-Thema Einsamkeit“ aufmerksam und betonte, dass auch hier die Selbsthilfe wertvolle Dienste leiste. Thorsten Boomhuis erläuterte, wie es zur Gründung des Vereins PingPongParkinson kam, wie er 2013 selbst die Diagnose Parkinson erhielt – und dass es beim Umgang mit Parkinson-Patienten auch heute noch jede Menge zu tun gebe.
Bis in die Nachmittagsstunden informierten sich die Besucherinnen und Besucher an den zahlreichen Ständen, die vom Restless Legs Syndrom über Adipositas, Fibromyalgie, Amputationen und Atemwegserkrankungen bis hin zu Stress, Angst und Depressionen die unterschiedlichsten Themen bedienten. Die Rikscha-Fahrten der Freiwilligen-Agentur wurden ebenso gut angenommen, wie ein „Age-Anzug“ des Pflegestützpunkts, in welchem Interessierte erleben konnten, wie sich das Leben mit 90 Jahren anfühlt. Auch ein Aids-Mobil und ein Sucht-Simulator standen bereit.
Mit den Workshops „Yoga auf dem Stuhl“ von Christina Oberndörfer und „Selbsthilfe singt“ von Pastor Dieter Wiggers sowie einem gemeinsamen Abschlusssingen wurden die ereignisreichen Tage abgerundet. „Ich bin begeistert“, meinte Dr. Annegret Hölscher abschließend. Mit Blick auf den großen Zuspruch aus der Bevölkerung hätten sich alle Anstrengungen bezahlt gemacht – und man sei motiviert, in wenigen Jahren auch die zehnte Auflage des Selbsthilfetages in der Grafschaft zu meistern.
Text/Quelle: Landkreis Grafschaft Bentheim, Artikel vom 18.10.2023, URL: gesundheitsregion.grafschaft-bentheim.de/grgb/aktuelles/meldungen/rueckblick-tag-der-selbsthilfe-und-gesundheit-2023.php, Stand: 19.10.2023